Welche Kampfsportart hilft auf der Straße?
Vielleicht hast Du Dir auch schon mal überlegt, was Du tun würdest, wenn ... der Fall der Fälle eintritt und Du überfallen wirst? Selbst wenn Du in einem eher ruhigen und sicheren Teil der Welt lebst, sind solche Gedanken nicht ungewöhnlich. Zu oft wird in den Nachrichten und anderen Medien über derartige Ereignisse berichtet und dadurch Verunsicherung ausgelöst.
Und weil es keinem von uns gefällt verunsichert zu sein, ist oft die erste Reaktion eine schnelle Antwort zu suchen um dieser Unsicherheit zu begegnen. Die Lösung soll am besten einfach sein und das Problem mit mehr oder weniger Aufwand endgültig beseitigen. So ist Dir vielleicht schon der Gedanke gekommen ein Hilfsmittel wie ein Messer, einen Palmstick oder ein Pfefferspray einzustecken.
Wenn Du dies gedanklich aber weiterspinnst, dann ist Dir eines aber bestimmt auch aufgefallen: Eine Waffe nützt Dir nur dann etwas, wenn Du sie einerseits jederzeit griffbereit hast und andererseits keine Hemmungen hast sie tatsächlich einzusetzen. In anderen Worten: Die Waffe allein bringt Dir nur dann mehr Sicherheit, wenn Du auch lernst damit umzugehen.
Und spätestens an diesem Punkt landen viele Überlegungen beim Selbstverteidigungstraining. Doch auch den härtesten und effektivsten Kampfstil mit dem besten Ruf zu finden, wird Dir nicht helfen. Denn was nützt es Dir, wenn Dein Trainer oder Deine Kollegen superhart im nehmen sind, wenn Dun es selbst nicht umsetzen kannst?
Was Du brauchst, ist Deine eigenen Erfahrungen Schritt für Schritt in einem kontrollierten Umfeld zu machen und damit zu lernen Dich selbst und Deine eigenen Fähigkeiten einzuschätzen. Nur auf diesem Weg entwickelst Du das Vertrauen in Dich in der jeweiligen Situation richtig reagieren zu können. Und das wiederum ist der direkteste Weg, der Dir hilft Dich im Alltag sicherer zu fühlen.
Ein einmaliger Kurs oder Workshop kann Dir hier durchaus schon einen guten Einblick geben, ob Dir diese Art von Training überhaupt Spaß macht, und auch den einen oder anderen Tipp vermitteln, der Dir helfen kann Konflikte zu vermeiden und körperlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen. ... Denn ein vermiedener Kampf, ist ein gewonnener Kampf.
Am besten hilft aber regelmäßiges, langfristiges Training, denn jede Fähigkeit muss geübt werden bis sie in Fleisch und Blut übergeht, damit sie im Ernstfall abgerufen werden kann. Nach nur einer Fahrstunde wirst Du kein sicherer Autofahrer sein, erst mit Wiederholung und Übung entwickelst Du die Fähigkeit auf sämtliche Situationen im Straßenverkehr angemessen zu reagieren. Ein Gefühl von Sicherheit bekommst Du erst, wenn Du Dich und Deine Fähigkeiten gut genug kennst und dadurch das Vertrauen entwickelst in der jeweiligen Situation eben richtig reagieren zu können.
Eine Studie hat es bewiesen
Eine Studie der Stanford University aus dem Jahr 2020 hat es sogar wissenschaftlich bewiesen, dass Angst und Stress die Fähigkeit Erinnerungen abzurufen direkt beeinträchtigen.
Probanden mussten sich in einer virtuellen Stadt zurechtfinden während gleichzeitig ihre Gehirnaktivität gemessen wurde. Nach einer Eingewöhnungsphase in der sie einige Wege durch die Stadt kennenlernten, bekamen sie Aufgaben indem sie irgendwo in der Stadt platziert wurden und dann ein bestimmtes Ziel finden mussten. Ein Teil der Probanden wurde unter Stress gesetzt indem die Wissenschaftler sie informierten, dass es passieren könnte, dass sie während der Aufgabe einen zufällig ausgeteilten elektrischen Schlag bekommen könnten.
Das Ergebnis der beiden Gruppen an Probanden konnte unterschiedlicher nicht sein. Die Probanden, die keine Angst vor Stromschlägen haben mussten, lösten die Aufgaben wesentlich effizienter und fanden sogar Abkürzungen, die ihren Weg von A nach B verkürzten. Die andere Gruppe verließ sich eher auf die bereits erlernten Wege und benötigten damit längere und umständlichere Wege um ihr Ziel zu erreichen.
Die Gehirnscanns bestätigten, dass bei der gestressten Gruppe bestimmte Areale des Gehirns, die zum Abrufen und Verarbeiten von Erinnerungen und erstellen von Plänen für die Zukunft nötig sind, nicht mehr funktionierten.
Was bedeutet das jetzt für die Selbstverteidigung?
Die Situationen in denen man sich vorstellen kann, dass unser erlerntes Wissen und Können benötigt wird, sind von der Natur der Sache her meist mit Stress verbunden, denn sobald es darum geht sich gegen einen Übergriff oder eine tätliche Attacke zu verteidigen, steht ja bereits ein Szenario im Raum bei dem Du verletzt werden könntest.
Was wir tun, wenn wir in diese Situation kommen, können wir zwar vorher im Training üben, aber was davon wirklich abgerufen wird, ist wieder eine andere Frage. Die oben beschriebene Studie legt nahe, dass wir in diesem Moment eher keine kreativen Lösungen finden werden, sondern uns in erster Linie auf bereits eingeübtes verlassen werden.
Dies ist auch ein Effekt, der im Sparring gut zu beobachten ist. Je größer die Angst vor dem Trainingspartner ist, desto weniger neues werden wir ausprobieren. Wenn wir wissen, dass der andere fest zuschlagen wird, beschränkt sich unser Repertoire plötzlich auf eine handvoll Techniken auf die wir uns zu 100% verlassen können.
Was bedeutet das für Dein Training?
Ziel eines jeden Trainings ist es Deine Fähigkeiten zu verbessern. Um einen Effekt auf Stress-Situationen zu haben, gibt es zwei Werkzeuge, die Dir im Selbstverteidigungs-Training helfen werden.
- Sammle sinnvolle Wiederholungen von Techniken, die effizient und leicht auszuführen sind. Sinnvoll bedeutet nicht nur stur 1000 mal das gleiche zu tun, sondern eine Technik beispielsweise einen Takedown oder einen Schlag oder Tritt in unterschiedlichen Szenarios mit unterschiedlichen Eingängen, unterschiedlichen Kombinationen und unterschiedlichen Follow Ups zu üben. Je besser Du die Technik kennst, desto tiefer wird sie in Deiner Erinnerung verankert und kann im Bedarfsfall auch unter Stress wieder abgerufen werden.
- Erweitere Deine Komfort-Zone. Wenn Du Dich in einer kontrollierten Umgebung wie zum Beispiel im Training einer stressigen Situation aussetzt und diese meisterst, wirst Du beim nächsten Mal mit weniger Angst in diese Situation gehen und dadurch die in der Studie beschriebenen Effekte weniger stark spüren. Natürlich besteht nach wie vor ein Unterschied zwischen Training und echter Situation, aber je relaxter Du im Training in einer Situation bist in der Fäuste in Deine Richtung fliegen, desto einfacher fällt Dir das ruhig bleiben "in echt" dann auch.
Um den maximalen positiven Effekt zu erreichen sind beide Werkzeuge unerläßlich. In welchem Mix sie angewendet werden, hängt aber sehr stark von Deiner Trainingsgruppe und dem Trainingsplan Deines Trainers ab. Im Idealfall wird dieser Plan an Deine Wünsche und Bedürfnisse angepasst.
Dies ist wichtig, denn auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienz sollte nie Dein Spaß am Training verloren gehn. Spass ist wichtig, denn ohne Spass zu haben wirst Du das Unterfangen früher oder später an den Nagel hängen und damit bestehen natürlich nur mehr wenig Chancen auf Verbesserung.
Wie findest Du das effektivste Training für Dich?
Die Selbstverteidigungsfähigkeiten zu verbessern ist etwas, dessen sich nahezu jede Kampfkunst, Kampfsport, besonders aber das Selbstverteidigungstraining - seien es einmalige Wochendkurse oder regelmäßige Trainingseinheiten - rühmt. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt.
Wie kannst Du nun erkennen, ob ein bestimmtes Training Dir dabei hilft das Ziel Dich verteidigen zu können zu erreichen? Versuche nach dem Probetraining oder Schnellkurs folgende Fragen für Dich zu beantworten:
- Erscheint mir das Erreichen meines Ziels durch dieses Training plausibel? Sehe ich einen Weg dorthin, wo ich hinwill? Oder klingt das alles zwar toll, ist aber nicht wirklich greifbar?
- Wurde auf meine individuellen Voraussetzungen eingegangen oder unterrichtet der Trainer alle Schüler nach dem gleichen Schema?
- Wurden meine Fragen ausreichend beantwortet bzw wurden die gezeigten Übungen und Techniken ausreichend erklärt? Verstehe ich den Sinn hinter den Übungen?
- Erscheinen mir die Übungen praxisnah oder eher abstrakt? Wurde ein Ausprobieren des Gelernten im Sparring bzw durch Übungen ohne vorgegebene Rollen und Technikfolgen in Aussicht gestellt?
- Macht mir diese Art des Trainings Spaß und kann ich mir vorstellen daran über einen längeren Zeitraum regelmäßig teilzunehmen?
Kannst Du die Mehrzahl dieser Fragen positiv beantworten, dann stehen die Chancen gut, dass Du den richtigen Ort für Dein Training gefunden hast. Wenn Du noch unsicher bist, dann vereinbare weitere Probetrainingstermine um das, was Du erlebt hast, mit anderen Trainings besser vergleichen zu können.
ACHTUNG: Halte eher Abstand, wenn Dir versprochen wird, dass Du in kürzester Zeit unbesiegbar sein wirst und / oder dass es nur wenig Anstrengung bedeutet dorthin zu kommen. Wirklich unbesiegbar ist niemand, denn jeden Tag könnte jemand um die Ecke kommen, der größer, stärker oder schneller ist. Was Du aber definitiv machen kannst, ist Deine Chancen zu verbessern, indem Du Deine Stärken und Schwächen kennenlernst.
Ganz ohne Anstrengung wird es auch nicht gehen, denn Deine Chancen stehen natürlich umso besser, je mehr Du Deine körperlichen Attribute - Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit - trainierst. Dabei wird vermutlich der eine oder andere Schweißtropfen vergossen werden.
Wir wünschen Dir viel Erfolg bei der Suche nach dem richtigen Training und viel Spaß, wenn Du Deins schon gefunden hast!